75 Jahre HEKS in Bildern

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Im Januar 1946, vor 75 Jahren, ist HEKS, das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz, vom Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund (heute Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz), gegründet worden, als eine tatkräftige Antwort auf das unermessliche Elend im Nachkriegseuropa. Die kirchliche Hilfs- und Wiederaufbauarbeit wurde im Laufe der Jahrzehnte ergänzt mit weltweiter Entwicklungszusammenarbeit und Nothilfe, wie auch mit der Unterstützung von Flüchtlingen und sozial Benachteiligten in der Schweiz. «HEKS hat die Welt nicht verändert, dafür sind wir viel zu klein. Aber es hat immer wieder Zeichen gesetzt, die zeigen: Eine andere Welt ist möglich», sagte eine frühere und langjährige HEKS-Mitarbeiterin, die wir für die Recherchen zu unserem 75-Jahr-Jubiläum interviewten. Um diese Zeichen soll es hier gehen. Die Fotoausstellung zum 75 Jahr Jubiläum von HEKS veranschaulicht in 24 eindrücklichen, den Zeitgeist widerspiegelnden Bildern wichtige Wegstationen und zeigt entscheidende, bewegende und vielleicht auch wenig bekannte und überraschende Momente aus der 75jährigen Geschichte von HEKS und seinem konsequenten Einstehen für ein Leben in Würde.

 

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1. Das HEKS-Sammellager für Naturalien in Männedorf (ZH)

Allein in den Jahren 1945/46 tragen Schweizer Gemeinden rund 4000 Tonnen Kleider, Schuhe, Haushaltsgegenstände, Decken, Seifen, Konserven, Kartoffeln, alles Erdenkliche für ihre Nachbarn in Europa zusammen. Zur Verarbeitung und Spedition dieser Naturalspenden entsteht das zentrale Sammellager in Männedorf, wo die Güter verpackt und für den Versand bereit gemacht werden. Zeitweise gibt es auch HEKS-Sammellager in Basel, Morges, Koblenz, Brugg, Kreuzlingen, Uetikon, Buchs und Ostermundigen. In den ersten 10 Jahren seines Bestehens organisiert HEKS den Transport und die Verteilung von 1900 Eisenbahnwagen Naturalspenden an die notleidende Bevölkerung in den kriegsversehrten Nachbarländern.

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2. Kinder aus Mülheim an der Ruhr im Januar 1949 nach ihrem dreimonatigen Erholungsaufenthalt in der Schweiz

«Am 10. Januar 1949 kehren nach dreimonatigem Erholungsaufenthalt in der Schweiz 42 glückstrahlende Kinder zu ihren Eltern nach Mülheim an der Ruhr zurück», ist auf der Rückseite dieses Fotos notiert. HEKS ermöglicht Kindern aus Kriegsgebieten und Flüchtlingskindern dreimonatige Ferienaufenthalte bei Familien in der Schweiz, damit sie die schrecklichen Erlebnisse während des Krieges und die Not in ihren Heimatländern für eine Zeit lang vergessen können. Schweizer Familien bieten «Freiplätze» an und übernehmen Kost und Logis. Eine frühere HEKS-Mitarbeiterin, die die Kinder an der Grenze jeweils in Empfang nahm, erinnert sich: «Die meisten dieser Kinder waren sehr mager, ängstlich. Was für ein Unterschied, wenn ich sie dann bei der Abreise wiedersah! Viele sind hier regelrecht aufgefüttert worden.» In den ersten 10 Jahren sind so über 6000 Kinder und Jugendliche zur Erholung in die Schweiz gekommen.

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3. Das von HEKS unterstützte Kinderheim in Zabkowice in Polen empfängt im Jahr 1955 Besuch aus der Schweiz

«Notleidenden Kindern zu helfen, gehört zu den schönsten Aufgaben des HEKS», so HEKS-Zentralsekretär Heinrich Hellstern im Jahr 1954. In vielen Ländern eröffnet oder unterstützt HEKS in den Anfangsjahren Kinderheime und Waisenhäuser, wie etwa das «Schweizer Haus Hadersdorf» in Wien für unterernährte Kleinkinder, ein Kinderheim in Berlin-Wannsee für Flüchtlingskinder, die Casa del Fanciullo für arme Kinder in Neapel oder das abgebildete Kinderheim in Zabkowice in Polen für rund 50 Waisenkinder. Auch die Kinderpatenschaften sind so alt wie HEKS selbst: Für einen monatlichen Beitrag von 10 Franken kann man ein Patenkind im Ausland materiell unterstützen, aber auch persönliche Beziehungen aufbauen. Im Jahr 1964 gibt es Patenschaften mit 3460 Kindern in 14 Ländern. Ab 1980 beginnt sich der Patenschaftsdienst zu verändern und setzt verstärkt auf Kollektiv - statt auf Einzelpatenschaften.

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4. Blick in die Casa Locarno im Jahr 1963

Gemeinsam mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen gründet HEKS im Jahr 1947 die Casa Locarno im Tessin mit der Idee, nach dem Krieg einen Ort der Begegnung und Versöhnung zu schaffen. In den Anfangsjahren ist die «Casa» insbesondere für kirchliche Angestellte aus den vom Krieg schwer getroffenen Nachbarländern eine Erholungsstätte. Zudem ist sie ein Ort, der Angehörige einst verfeindeter Nationen, etwa Deutsche und Holländer, später vor allem auch Menschen aus Ost und West, unter einem Dach, an einem Tisch zusammenbringt und Gemeinschaft entstehen lässt. In der Casa Locarno finden keine Konferenzen statt und werden keine Beschlüsse gefasst. Sie will schlicht ein Haus sein, in dem Menschen verschiedenster Herkunft sich kennenlernen, miteinander reden, einander – auch wenn sie in vielem unterschiedlich denken – gegenseitig achten und schätzen lernen. In den ersten 20 Jahren haben 5000 Menschen aus 36 Ländern und 14 kirchlichen Denominationen die «Casa» besucht. «In der ‹Casa› habe ich das Zusammenwachsen, die Ökumene erlebt; viele Freundschaften sind entstanden. So einen Ort trägt man im Herzen mit», erinnert sich eine Holländerin, die in der Casa Locarno zu Gast war.

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5. Telefonistin Heidi Schlatter, «die Frau, die alles wusste», im Jahr 1959 in der HEKS-Geschäftsstelle in Zürich

Zu Beginn besteht das HEKS-Personal aus dem Zentralsekretär Pfarrer Heinrich Hellstern und seiner Sekretärin. Dank der Hilfe des in das HEKS integrierten «Vereins für die Evangelischen im Osten» kann HEKS im Jahr 1946 das Haus an der Stampfenbachstrasse 123 erwerben und damit in Zürich eine eigene Schweizer Geschäftsstelle einrichten. «Damit standen dem Hilfswerk von Anfang an die für eine solche Aufgabe unerlässlichen technischen Mittel zur Verfügung. Erfreulicherweise fanden wir auch immer wieder die nötigen Hilfskräfte. Dabei waren wir streng darauf bedacht, nur so viele Leute zu beschäftigen, wie die Arbeit unbedingt verlangte,» schreibt Heinrich Hellstern in seinem 10. Jahresbericht.

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6. «Hilfe schenken» in seiner Urform

Im Jahr 1955 schickt HEKS aus Sammlungsmitteln der Schweizer Europahilfe 50 Schweizer Ziegen nach Griechenland. Dort werden sie Waisenhäusern und armen Bauernfamilien gespendet.

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7. Ankunft am Bahnhof Weesen. 1951 gründet HEKS in Weesen ein Altersheim für betagte Flüchtlinge.

1949 wird die Evangelische Flüchtlingshilfe aufgelöst und ein Teil der Aufgaben in HEKS integriert. HEKS sammelt ab jetzt den «Flüchtlingsbatzen» und übernimmt die Betreuung von – damals rund 600 – evangelischen Flüchtlingen in der Schweiz, was vor allem heisst, individuelle Fürsorge zu leisten: «HEKS hatte eine neue, arbeitsintensive, konfliktreiche, aber notwendige Aufgabe übernommen und musste zunächst wieder einmal viel lernen», erinnert sich Zentralsekretär Hellstern. Zwei Jahre später eröffnet HEKS in Weesen das Haus Pelikan, ein Altersheim für rund 70 evangelische und orthodoxe Flüchtlinge mit Dauerasyl. Viele von ihnen stammen aus Osteuropa, insbesondere aus Russland, und sind nach dem Zweiten Weltkrieg unter den neuen kommunistischen Regimes in Bedrängnis geraten. Über 40 Jahre betreibt HEKS den «Pelikan» und gibt älteren Flüchtlingen damit eine letzte Heimat in der Schweiz.

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8. HEKS startet seine Entwicklungszusammenarbeit im globalen Süden im Jahr 1958 in Südindien

Mit Kollekten der Landeskirchen gründet HEKS 1958 eine Lehrwerkstätte für Werkzeugmacher in Südindien. Der Start ist harzig. Die kirchlichen Stellen in Südindien brauchen lange, bis sie akzeptieren können, dass auch nicht-christliche Lehrlinge aufgenommen werden sollen – für HEKS von Anfang an eine Selbstverständlichkeit und unabdingbarer Grundsatz. Trotz Anlaufschwierigkeiten wird das Projekt zum Erfolg: 1982 besteht die Nettur Technical Training Foundation (NTTF) aus fünf Lehrlingszentren und vier Produktionsbetrieben, ist finanziell unabhängig und kann einer kompetenten indischen Leitung übergeben werden. HEKS realisiert jedoch bald, dass mit diesem Projekt nicht die Bedürftigsten der indischen Gesellschaft erreicht werden können, und beginnt daher, politischer und gezielt mit besonders benachteiligten Menschen wie Kastenlosen, Adivasi oder Frauen zu arbeiten. Eine strategische Entscheidung, die die künftige Entwicklungszusammenarbeit von HEKS prägen wird.  

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9. Nach dem blutig niedergeschlagenen Schüleraufstand in Soweto im Juni 1976 kommt es in ganz Südafrika zu wochenlangen Unruhen und Protestaktionen. HEKS bezieht klar Stellung gegen das Apartheidregime des Landes.

«HEKS ist politisch und ist es stets gewesen. Es muss so sein», schreibt HEKS-Zentralsekretär Pfarrer Hans Schaffert. Unter seiner Leitung stellt sich HEKS ab den 1970er-Jahren dezidiert auf die Seite der rassistisch und durch die Apartheid unterdrückten Bevölkerungsgruppen in Angola, Simbabwe und Südafrika und unterstützt ihre Projekte zur Erlangung von Gleichberechtigung. HEKS beteiligt sich am Anti-Rassismus-Programm des Ökumenischen Rates der Kirchen und erntet dafür viel Kritik. 1986 kündigt HEKS einseitig seine Beziehungen zur Schweizerischen Bankgesellschaft aufgrund ihrer Bankgeschäfte in Südafrika. HEKS nimmt, aus seiner konkreten Projekterfahrung in Südafrika heraus, öffentlich gegen die renommierte Bank Stellung, weil sie das UNO-Embargo willentlich unterläuft. Die Position von HEKS führte zu empörten Reaktionen in der Öffentlichkeit. «Heute wird wohl kaum jemand den damaligen Entscheid nicht für richtig halten. HEKS war weder besonders mutig noch fortschrittlich, sondern tat einfach das Richtige», erinnert sich der spätere HEKS-Zentralsekretär Franz Schüle.

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10. Flüchtlinge aus Vietnam im Jahr 1979 bei ihrer Ankunft am Flughafen Zürich.

Zwischen 1979 und 1980 nimmt die Schweiz rund 7000 Flüchtlinge aus Vietnam und Kambodscha auf. Ihre Betreuung und Integration in die Schweizer Gesellschaft ist eine grosse Verantwortung für die Hilfswerke, auch für HEKS, das allein im Jahr 1979 die Betreuung von 707 Flüchtlingen aus Vietnam und Kambodscha übernimmt. Der Auftrag der «menschlichen Aufnahme» kann nur dank aktiver Mithilfe der Bevölkerung erfüllt werden: Es bilden sich über 700 Betreuungsgruppen bestehend aus hilfsbereiten Mitbürgern, die die Flüchtlinge im Alltag begleiten und unterstützen. Insgesamt betreut der HEKS-Flüchtlingsdienst im Jahr 1980 nun rund 1000 Flüchtlinge, fast fünfmal so viele wie in den Vorjahren. In der Folge muss der Flüchtlingsdienst seinen Mitarbeitendenstab ausbauen und sich neue, grössere Räumlichkeiten suchen.

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11. Arbeiterinnen 1981 auf einer Ananasplantage auf der Insel Mindanao im Süden der Philippinen

Weitläufige Ananasplantagen, viele im Besitz des amerikanischen Lebensmittelunternehmens Del Monte, prägen die Landwirtschaft der Insel Mindanao im Süden der Philippinen. Wenige Grossgrundbesitzer stehen hier vielen land- und oft rechtlosen Arbeitern gegenüber. HEKS unterstützt auf den Philippinen jahrelang Partnerorganisationen, die Plantagenarbeiterinnen und landlosen Kleinbauern helfen, zu ihrem Recht zu kommen. 1981 erstellen HEKS und «Brot für alle» (Bfa) eine Tonbildschau, um in der Schweizer Öffentlichkeit auf die prekären Zustände auf den Del Monte-Plantagen und auf den unrechtmässigen Landerwerb auf Kosten der Kleinbauern aufmerksam zu machen. Der Migros-Genossenschafts-Bund (MGB) organisiert 1982 ein Gespräch zwischen HEKS, Bfa, Del Monte-Direktoren und Vertretern der Migros. HEKS und Bfa fordern, in die Lieferverträge zwischen Migros und Del Monte eine «Sozialklausel» aufzunehmen – ein Anliegen, das 1983 dank hartnäckiger Öffentlichkeitsarbeit schliesslich vom MGB umgesetzt wird.

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12. Die – konsequent zweisprachige – HEKS-Jahrestagung am 7. Mai 1983 in Lausanne

HEKS ist seit Beginn ein Werk aller reformierten Kirchen der Schweiz. Schon dem erstem Zentralsekretär Heinrich Hellstern ist die Verbindung von HEKS mit den Kirchen in der französischsprachigen Schweiz ein Anliegen. Am 15. November 1948 übernimmt Pfr. Charles Freundler als vollamtlicher welscher Sekretär die Vertretung von HEKS in der Romandie. Sein Wirken trägt massgeblich dazu bei, die welschen Kirchen für die Mitarbeit an der «Entraide Protestante» zu gewinnen. Aufgabe des EPER war in den ersten Jahren insbesondere die Verbindung zu den reformierten Kirchen in den lateinischen Ländern Europas. Diese Arbeitsteilung hat sich lange bewährt. «HEKS hat Teil am Reichtum mindestens zweier Sprachen, Kulturen und Mentalitäten, es lebt, wie unser Land, mit der Sprachgrenze, es muss von beiden Seiten der Saane her immer neu an Brücken bauen», schreibt Zentralsekretär Hans Schaffert. Auch heute noch ist das interkulturelle Spannungsfeld, sind die Verständigungshindernisse immer wieder einmal spürbar und manchmal eine Herausforderung. In Frage gestellt haben sie das Zusammenwirken nie. Im Gegenteil. Sie haben es wohl eher befruchtet.

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13. Tamilische Flüchtlinge 1986 beim Mittagessen in einem Schweizer Durchgangszentrum.

Die 1980er-Jahre sind geprägt von den grossen Auseinandersetzungen im Flüchtlings- und Asylbereich. Im Jahresbericht 1982 ist zu lesen: «Einbezogen sind wir bereits heute in ein neues Problem, das uns längerfristig wohl noch intensiv beschäftigen wird: die wachsende Zahl von Asylsuchenden.» In der ersten Hälfte der 1980er-Jahre entstehen nun die HEKS-Regionalstellen und, um insbesondere Asylsuchenden mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, die Rechtsberatungsstellen für Asylsuchende in Basel, Bern und später in Zürich, St. Gallen, Aargau wie auch in Lausanne und in Genf. HEKS führt ausserdem zwei Durchgangszentren, in Studen BE und in Lauffohr AG. Im Jahr 1986 lanciert die HEKS-Regionalstelle beider Basel ein Pionierprojekt: Die «HEKS-Wohnhilfe für Asylsuchende» ermöglicht die dezentrale Unterbringung von Asylsuchenden und deren Wohnbegleitung. Im Auftrag des Fürsorgeamtes der Stadt Basel mietet HEKS privaten Wohnraum fürs Asylsuchende und unterstützt sie gemeinsam mit den jeweiligen Kirchgemeinden beim Aufbau von Kontakten in der Nachbarschaft, damit die ankommenden Menschen in ihrer schwierigen Anfangszeit mehr haben als nur ein Dach über dem Kopf.

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14. Im Dezember 1985 halten HEKS-Mitarbeitende vor der Heiliggeistkirche in Bern eine Mahnwache.

Im Jahr 1985 hat sich bei den Behörden einen Pendenzenberg von 32 000 hängigen Asylgesuchen angehäuft und sie vollziehen Ausschaffungen auch in Härtefällen. Die meisten Kantone erlassen Arbeitsverbote für Asylsuchende. In der Bevölkerung macht sich zunehmend Ablehnung der Fremden, der Flüchtlinge und Asylsuchenden bemerkbar, entstanden aus Angst vor Arbeitslosigkeit, vor Überfremdung. 1984 kommt es zur ersten Revision des erst dreijährigen Asylgesetztes, die eine «Straffung» verankert und mit klarer Mehrheit angenommen wird – vom gleichen Volk, das vor wenigen Jahren gedrängt hatte, viele Flüchtlinge aus Ostasien aufzunehmen. HEKS setzt sich politisch gegen die Verschärfung der Asyldebatte und gegen die zunehmend restriktive Anwendung des Asylgesetzes ein und übernimmt in der Öffentlichkeit die Rolle des Anwalts für eine menschliche Asylpolitik. Im Frühling 1985 erscheint das Memorandum der drei Landeskirchen «Auf der Seite der Flüchtlinge», mitverfasst vom HEKS-Flüchtlingsdienst.

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15. Rumänischer Bauer nach der Wende

Nach dem Ende des Kalten Krieges ergänzt HEKS seine zwischenkirchliche Hilfe in vielen ehemaligen Ostblockstaaten mit Aufbauhilfe und ländlichen Entwicklungsprojekten. Rumänien macht als eines der letzten mitteleuropäischen Länder den Zusammenbruch des kommunistischen Regimes durch. Aufgrund seiner über die kirchliche Zusammenarbeit entstandenen guten Kontakte zu kirchlichen Partnern leitet HEKS 1989 den ersten Hilfstransport der grossen Schweizer Hilfswerke. Bald darauf beginnt HEKS in Ergänzung zur zwischenkirchlichen Hilfe mit dem Aufbau eines regionalen ländlichen Entwicklungsprogrammes. Rumänische Jungbauern absolvieren viermonatige Praktika in Graubünden und Starthilfen und Kredite für genossenschaftliche Käsereien, Bäckereien und weitere Kleinunternehmen werden vergeben. Die damals von HEKS aufgebaute Stiftung LAM zur Förderung von Landwirtschaft und Klein- und Mittelunternehmen existiert bis heute.

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16. Brasilianischer Kleinbauer während einer im November 1996 von der Landlosenbewegung MST organisierten Besetzung der Landwirtschaftsbehörde in Salvador, Bahia

HEKS unterstützt ab 1995 Projekte zur Umsetzung der Agrarreformen in Lateinamerika und setzt sich für Vertriebene und Landlose ein. «HEKS ist überzeugt, dass ohne soziale Agrarreform keine Entwicklung in Frieden möglich sein wird. Die Landfrage steht deshalb im Zentrum aller Programme in Lateinamerika», ist im Jahresbericht 1995 zu lesen. In Brasilien etwa setzt sich die 1984 gegründete Landlosenbewegung MST («Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra») für die Umsetzung der brasilianischen Agrarreform ein, etwa indem sie politische Aktionen und Landbesetzungen durchführt, um Druck auf die Regierung zu machen und Landlosen zu einem eigenen Stück Land zu verhelfen. HEKS unterstützt MST seit Mitte der 1990er-Jahre bei ihren Aktivitäten und hat so im Laufe der Jahre Tausenden brasilianischen Familien zu Landbesitz verholfen und sie bei der agrarökologischen Bewirtschaftung ihres Landes und beim Aufbau von Vermarktungsnetzwerken unterstützt.

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17. Flüchtlinge aus dem Kosovo im April 1999 in einem zum Flüchtlingslager umfunktionierten Freizeitpark in Tirana, Albanien

Die Balkankriege prägen die 1990er-Jahre. Für Millionen Franken kann HEKS Hilfsgüter nach Bosnien, in Teile von Serbien und Kroatien und später in den Kosovo liefern. Dies auch aufgrund seines langjährigen Partners, der ökumenischen kirchlichen Hilfsorganisation EHO in der Vojvodina, deren Gründung HEKS noch vor dem Krieg mit angestossen hatte. Die Balkankriege lösen zudem eine neue Fluchtwelle aus. Zehntausende Flüchtlinge kommen in die Schweiz – viele werden von HEKS unterstützt mit Projekten zur Begleitung und Beratung in der Schweiz, sowie zur Vorbereitung ihrer Rückkehr.

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18. Ein Blick in die Velo-Werkstatt des 1997 gegründeten Arbeitsintegrationsprojekts «HEKS TGjob».

Der Evangelische Kirchenbund erweitert 1991 das Inlandmandat von HEKS mit dem Auftrag «Engagement für sozial Benachteiligte». Das Knowhow, das HEKS in der Betreuung fremdkultureller Menschen erlangt hat, kann nun auch auf Integrationsprojekte übertragen werden, die nicht nur Flüchtlingen, sondern auch sozial benachteiligten SchweizerInnen offenstehen. 1992 lanciert HEKS mit dem Pilotprojekt «Birseck», einem Wohnprojekt für Suchtkranke, sein erstes Inlandprojekt für SchweizerInnen. Bald darauf folgen die ersten Projekte der Regionalstellen im Bereich der Arbeitsintegration wie etwa 1996 das Projekt «HEKS-Stellennetz» im Kanton Aargau, das Erwerbslosen sechsmonatige Arbeitseinsätze vermittelt, das Projekt «Starthilfe», ein Beschäftigungsprogramm für stellenlose SchulabgängerInnen, und 1997 «TGjob», ein Projekt der Regionalstelle Ostschweiz zur Unterstützung Langzeit-Erwerbsloser.

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19. Jigmey Lodoe Shugongtsang ist aus Tibet geflüchtet und lebt seit 2012 in der Schweiz. Die Gartenparzelle, die HEKS ihm in Yverdon zur Verfügung stellt, hegt und pflegt er mit grosser Leidenschaft.

Im Jahr 2003 beauftragt eine Schweizer Stiftung HEKS damit, das Konzept für ein Pilotprojekt «Interkulturelle Gärten» auszuarbeiten. Die HEKS-Regionalstelle beider Basel pachtet 2005 zum ersten Mal Familiengärten für Flüchtlingsfrauen und -familien. Heute unterhalten die HEKS-Regionalstellen 30 Gartenstandorte in der Deutsch- und der Westschweiz. Die «Neuen Gärten» sind Orte, wo Flüchtlinge und MigrantInnen, die meist viel in ihrer Heimat zurückgelassen haben, wieder Boden unter die Füsse bekommen, Wurzeln schlagen, neue Kontakte knüpfen und ihr Deutsch respektive Französisch üben und verbessern können. 

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20. Fischersfrau Mary in Südindien hat im Tsunami, der an Weihnachten 2004 Tod und Zerstörung brachte, ihre beiden Enkelinnen verloren.

«Ich war mit meiner Tochter und den zwei Enkelinnen in der Küche. Plötzlich schreien mein Mann und mein Schwiegersohn, und schon schmetterte das Meer an die Wände, immer wieder. Ich klammerte mich an einen Dachbalken. Das ganze Haus war mit tosendem Wasser gefüllt. Als es zurückging, fand ich Sahana und Pinia, meine Enkelinnen. Tot. Ertrunken im Wasser liegend. Boote, Netze, Hausrat, alles ist weg, das ganze Haus ist kaputt», erzählt Fischersfrau Mary aus Südindien. Am 26. Dezember 2004 rollt nach einem Seebeben im Indischen Ozean ein verheerender Tsunami über die Küstenregionen. HEKS leistet Nothilfe über seine Partnerorganisation in Indien und beteiligt sich später an einem gross angelegten Wiederaufbauprojekt in Sri Lanka, das 2007 erfolgreich abgeschlossen wird. «Die ausserordentliche Schwere der Katastrophe und der Medienhype machen den Tsunami einzigartig. Der ohnehin bei jeder Katastrophe vorhandene Druck der ersten Tage, sofort kompetent und sinnvoll zu handeln, war enorm», erinnert sich der damalige HEKS-Zentralsekretär Franz Schüle.

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21 . Donghua Li zeigt im Zürcher Hauptbahnhof im «Chüjermutz» eine Reprise seiner Goldmedaillen-Übung am Pauschenpferd.

2015 sind über 60 Millionen Menschen auf der Flucht, viele von ihnen suchen den Weg nach Europa. Anfang 2016 schliessen viele Länder entlang der Balkanroute ihre Grenzen. Für Flüchtlinge, die noch auf dem Balkan festsitzen, gibt es kein Weiterkommen mehr. HEKS ist unter anderem in Serbien präsent, wo es die Flüchtlinge mit Hilfsgütern und der Bereitstellung von Unterkünften unterstützt. 2016 lanciert HEKS in der Schweiz die nationale Kampagne «Farbe bekennen»: Eine breite Koalition von Hilfswerken, sozialen Institutionen und Privatpersonen fordert die Politik und die Öffentlichkeit auf zu mehr Solidarität, zu einer konstruktiven Diskussion rund um Flüchtlinge und zu einer menschlichen Asylpolitik. Im Rahmen der Kampagne organisiert HEKS 2018 im Zürcher Hauptbahnhof ein farbiges Fest für eine menschliche und solidarische Schweiz. SchweizerInnen, Flüchtlinge und zahlreiche Prominente schwingen an der Volkstanz-Chilbi gemeinsam das Tanzbein.

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22. Dimitru Naghi (86) lebt in Cluj in Siebenbürgen. Wöchentlich besuchen ihn Spitex-Pflegende des Hauspflegedienstes der Reformierten Kirche Rumäniens.

Während in den Anfangsjahren Infrastruktur-Beiträge und der Stipendien- und Literaturdienst im Vordergrund der Kirchlichen Zusammenarbeit (KiZa) von HEKS standen, geht es heute in vielen KiZa-Programmen vor allem um den diakonischen Auftrag der reformierten Partnerkirchen in Mittel- und Osteuropa und im Nahen Osten. HEKS setzt sich dafür ein, dass reformierte Kirchen in ihren Ländern als relevante Organisationen wahrgenommen werden, die offen sind gegenüber der Gesellschaft und sich aktiv und verantwortungsvoll einbringen, insbesondere für die Schwächsten und Benachteiligten. Im Laufe der Jahrzehnte sind so im Rahmen der KiZa viele ermutigende kirchliche Projekte entstanden, etwa Kinderprogramme im kriegszerstörten Syrien oder Projekte für die Integration von Roma, zur Unterstützung behinderter Menschen oder zum Aufbau häuslicher Pflegedienste für ältere, isolierte, pflegebedürftige Menschen in Osteuropa. So etwa der Hauspflegedienst «Diakonia» der reformierten Kirche Siebenbürgens in Rumänien.

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23. Im Mai 2020 erreicht Covid-19 auch die Rohingya-Flüchtlingslager im Süden von Bangladesch. HEKS verteilt Hygienematerial, damit sich insbesondere ältere Menschen vor dem Virus schützen können.  

Im Jahr 2020 hält Covid-19 die Welt in Atem. Das neuartige Virus führt in vielen Ländern zu überlasteten Gesundheitssystemen und auf die landesweiten Lockdowns folgen wirtschaftliche Krisen. HEKS lanciert innert kurzer Zeit ein gross angelegtes Nothilfeprogramm in der Schweiz und in seinen Projektländern, um jenen Menschen beizustehen, die dem Virus praktisch schutzlos ausgesetzt sind und die von der Krise besonders hart getroffen werden.

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24. Familie Pouye aus dem Dorf Soune im Westen Senegals, im November 2020

Im Jahr 2012 stand die Familie im Zentrum der HEKS-Sammlungskampagne «Entwicklung ermöglichen»: Im Jahr 2012 hatte Familie Pouye mit vielen Problemen zu kämpfen: ungesicherte Landtitel, magere Ernten und trockene Böden, gefolgt von Überschwemmungen in der Regenzeit, die das fruchtbare Land nach und nach wegspülten. Mit Unterstützung der HEKS-Partnerorganisation «Enda-Pronat» lernten die DorfbewohnerInnen, Steingürtel und Windschutzhecken anzulegen, um ihr Land vor der Erosion zu schützen. Auf Schulungsfeldern wurde ihnen Wissen über Früchte- und Gemüseanbau, Bewässerung und natürliche Schädlingsbekämpfung vermittelt. «Diese Familie hat eine Perspektive», versprach HEKS auf dem Kampagnenplakat 2012. Hat es dieses Wirkungsversprechen einhalten können? Rund acht Jahre später erzählt Mor Pouye: «Das Projekt hat mir sehr geholfen, vor allem weil ich Anbautechniken erlernt habe, die an die schwierigen Bedingungen hier angepasst sind. Die Mangobäume gedeihen, trotz des Wassermangels, und ich habe mein Einkommen verbessern können. Auch die gemeinsamen Erosionsschutzarbeiten rund um das Dorf haben sich bewährt. Ein grosses Problem ist, dass ich nach wie vor keine Titel habe für das Land, das ich bebaue.» HEKS und seine langjährige Partnerorganisation «Enda Pronat» unterstützt die Dorfbewohner von Soune weiterhin in diesem Prozess.

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