75 Jahre HEKS in Bildern
Im Januar 1946, vor 75 Jahren, ist HEKS, das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz, vom Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund (heute Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz), gegründet worden, als eine tatkräftige Antwort auf das unermessliche Elend im Nachkriegseuropa. Die kirchliche Hilfs- und Wiederaufbauarbeit wurde im Laufe der Jahrzehnte ergänzt mit weltweiter Entwicklungszusammenarbeit und Nothilfe, wie auch mit der Unterstützung von Flüchtlingen und sozial Benachteiligten in der Schweiz. «HEKS hat die Welt nicht verändert, dafür sind wir viel zu klein. Aber es hat immer wieder Zeichen gesetzt, die zeigen: Eine andere Welt ist möglich», sagte eine frühere und langjährige HEKS-Mitarbeiterin, die wir für die Recherchen zu unserem 75-Jahr-Jubiläum interviewten. Um diese Zeichen soll es hier gehen. Die Fotoausstellung zum 75 Jahr Jubiläum von HEKS veranschaulicht in 24 eindrücklichen, den Zeitgeist widerspiegelnden Bildern wichtige Wegstationen und zeigt entscheidende, bewegende und vielleicht auch wenig bekannte und überraschende Momente aus der 75jährigen Geschichte von HEKS und seinem konsequenten Einstehen für ein Leben in Würde.
1. Das HEKS-Sammellager für Naturalien in Männedorf (ZH)
Allein in den Jahren 1945/46 tragen Schweizer Gemeinden rund 4000 Tonnen Kleider, Schuhe, Haushaltsgegenstände, Decken, Seifen, Konserven, Kartoffeln, alles Erdenkliche für ihre Nachbarn in Europa zusammen. Zur Verarbeitung und Spedition dieser Naturalspenden entsteht das zentrale Sammellager in Männedorf, wo die Güter verpackt und für den Versand bereit gemacht werden. Zeitweise gibt es auch HEKS-Sammellager in Basel, Morges, Koblenz, Brugg, Kreuzlingen, Uetikon, Buchs und Ostermundigen. In den ersten 10 Jahren seines Bestehens organisiert HEKS den Transport und die Verteilung von 1900 Eisenbahnwagen Naturalspenden an die notleidende Bevölkerung in den kriegsversehrten Nachbarländern.
2. Kinder aus Mülheim an der Ruhr im Januar 1949 nach ihrem dreimonatigen Erholungsaufenthalt in der Schweiz
«Am 10. Januar 1949 kehren nach dreimonatigem Erholungsaufenthalt in der Schweiz 42 glückstrahlende Kinder zu ihren Eltern nach Mülheim an der Ruhr zurück», ist auf der Rückseite dieses Fotos notiert. HEKS ermöglicht Kindern aus Kriegsgebieten und Flüchtlingskindern dreimonatige Ferienaufenthalte bei Familien in der Schweiz, damit sie die schrecklichen Erlebnisse während des Krieges und die Not in ihren Heimatländern für eine Zeit lang vergessen können. Schweizer Familien bieten «Freiplätze» an und übernehmen Kost und Logis. Eine frühere HEKS-Mitarbeiterin, die die Kinder an der Grenze jeweils in Empfang nahm, erinnert sich: «Die meisten dieser Kinder waren sehr mager, ängstlich. Was für ein Unterschied, wenn ich sie dann bei der Abreise wiedersah! Viele sind hier regelrecht aufgefüttert worden.» In den ersten 10 Jahren sind so über 6000 Kinder und Jugendliche zur Erholung in die Schweiz gekommen.
3. Das von HEKS unterstützte Kinderheim in Zabkowice in Polen empfängt im Jahr 1955 Besuch aus der Schweiz
«Notleidenden Kindern zu helfen, gehört zu den schönsten Aufgaben des HEKS», so HEKS-Zentralsekretär Heinrich Hellstern im Jahr 1954. In vielen Ländern eröffnet oder unterstützt HEKS in den Anfangsjahren Kinderheime und Waisenhäuser, wie etwa das «Schweizer Haus Hadersdorf» in Wien für unterernährte Kleinkinder, ein Kinderheim in Berlin-Wannsee für Flüchtlingskinder, die Casa del Fanciullo für arme Kinder in Neapel oder das abgebildete Kinderheim in Zabkowice in Polen für rund 50 Waisenkinder. Auch die Kinderpatenschaften sind so alt wie HEKS selbst: Für einen monatlichen Beitrag von 10 Franken kann man ein Patenkind im Ausland materiell unterstützen, aber auch persönliche Beziehungen aufbauen. Im Jahr 1964 gibt es Patenschaften mit 3460 Kindern in 14 Ländern. Ab 1980 beginnt sich der Patenschaftsdienst zu verändern und setzt verstärkt auf Kollektiv - statt auf Einzelpatenschaften.
4. Blick in die Casa Locarno im Jahr 1963
Gemeinsam mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen gründet HEKS im Jahr 1947 die Casa Locarno im Tessin mit der Idee, nach dem Krieg einen Ort der Begegnung und Versöhnung zu schaffen. In den Anfangsjahren ist die «Casa» insbesondere für kirchliche Angestellte aus den vom Krieg schwer getroffenen Nachbarländern eine Erholungsstätte. Zudem ist sie ein Ort, der Angehörige einst verfeindeter Nationen, etwa Deutsche und Holländer, später vor allem auch Menschen aus Ost und West, unter einem Dach, an einem Tisch zusammenbringt und Gemeinschaft entstehen lässt. In der Casa Locarno finden keine Konferenzen statt und werden keine Beschlüsse gefasst. Sie will schlicht ein Haus sein, in dem Menschen verschiedenster Herkunft sich kennenlernen, miteinander reden, einander – auch wenn sie in vielem unterschiedlich denken – gegenseitig achten und schätzen lernen. In den ersten 20 Jahren haben 5000 Menschen aus 36 Ländern und 14 kirchlichen Denominationen die «Casa» besucht. «In der ‹Casa› habe ich das Zusammenwachsen, die Ökumene erlebt; viele Freundschaften sind entstanden. So einen Ort trägt man im Herzen mit», erinnert sich eine Holländerin, die in der Casa Locarno zu Gast war.
5. Telefonistin Heidi Schlatter, «die Frau, die alles wusste», im Jahr 1959 in der HEKS-Geschäftsstelle in Zürich
6. «Hilfe schenken» in seiner Urform
7. Ankunft am Bahnhof Weesen. 1951 gründet HEKS in Weesen ein Altersheim für betagte Flüchtlinge.
8. HEKS startet seine Entwicklungszusammenarbeit im globalen Süden im Jahr 1958 in Südindien
Mit Kollekten der Landeskirchen gründet HEKS 1958 eine Lehrwerkstätte für Werkzeugmacher in Südindien. Der Start ist harzig. Die kirchlichen Stellen in Südindien brauchen lange, bis sie akzeptieren können, dass auch nicht-christliche Lehrlinge aufgenommen werden sollen – für HEKS von Anfang an eine Selbstverständlichkeit und unabdingbarer Grundsatz. Trotz Anlaufschwierigkeiten wird das Projekt zum Erfolg: 1982 besteht die Nettur Technical Training Foundation (NTTF) aus fünf Lehrlingszentren und vier Produktionsbetrieben, ist finanziell unabhängig und kann einer kompetenten indischen Leitung übergeben werden. HEKS realisiert jedoch bald, dass mit diesem Projekt nicht die Bedürftigsten der indischen Gesellschaft erreicht werden können, und beginnt daher, politischer und gezielt mit besonders benachteiligten Menschen wie Kastenlosen, Adivasi oder Frauen zu arbeiten. Eine strategische Entscheidung, die die künftige Entwicklungszusammenarbeit von HEKS prägen wird.
9. Nach dem blutig niedergeschlagenen Schüleraufstand in Soweto im Juni 1976 kommt es in ganz Südafrika zu wochenlangen Unruhen und Protestaktionen. HEKS bezieht klar Stellung gegen das Apartheidregime des Landes.
10. Flüchtlinge aus Vietnam im Jahr 1979 bei ihrer Ankunft am Flughafen Zürich.
Zwischen 1979 und 1980 nimmt die Schweiz rund 7000 Flüchtlinge aus Vietnam und Kambodscha auf. Ihre Betreuung und Integration in die Schweizer Gesellschaft ist eine grosse Verantwortung für die Hilfswerke, auch für HEKS, das allein im Jahr 1979 die Betreuung von 707 Flüchtlingen aus Vietnam und Kambodscha übernimmt. Der Auftrag der «menschlichen Aufnahme» kann nur dank aktiver Mithilfe der Bevölkerung erfüllt werden: Es bilden sich über 700 Betreuungsgruppen bestehend aus hilfsbereiten Mitbürgern, die die Flüchtlinge im Alltag begleiten und unterstützen. Insgesamt betreut der HEKS-Flüchtlingsdienst im Jahr 1980 nun rund 1000 Flüchtlinge, fast fünfmal so viele wie in den Vorjahren. In der Folge muss der Flüchtlingsdienst seinen Mitarbeitendenstab ausbauen und sich neue, grössere Räumlichkeiten suchen.
11. Arbeiterinnen 1981 auf einer Ananasplantage auf der Insel Mindanao im Süden der Philippinen
12. Die – konsequent zweisprachige – HEKS-Jahrestagung am 7. Mai 1983 in Lausanne
13. Tamilische Flüchtlinge 1986 beim Mittagessen in einem Schweizer Durchgangszentrum.
14. Im Dezember 1985 halten HEKS-Mitarbeitende vor der Heiliggeistkirche in Bern eine Mahnwache.
15. Rumänischer Bauer nach der Wende
16. Brasilianischer Kleinbauer während einer im November 1996 von der Landlosenbewegung MST organisierten Besetzung der Landwirtschaftsbehörde in Salvador, Bahia
17. Flüchtlinge aus dem Kosovo im April 1999 in einem zum Flüchtlingslager umfunktionierten Freizeitpark in Tirana, Albanien
18. Ein Blick in die Velo-Werkstatt des 1997 gegründeten Arbeitsintegrationsprojekts «HEKS TGjob».
19. Jigmey Lodoe Shugongtsang ist aus Tibet geflüchtet und lebt seit 2012 in der Schweiz. Die Gartenparzelle, die HEKS ihm in Yverdon zur Verfügung stellt, hegt und pflegt er mit grosser Leidenschaft.
20. Fischersfrau Mary in Südindien hat im Tsunami, der an Weihnachten 2004 Tod und Zerstörung brachte, ihre beiden Enkelinnen verloren.
21 . Donghua Li zeigt im Zürcher Hauptbahnhof im «Chüjermutz» eine Reprise seiner Goldmedaillen-Übung am Pauschenpferd.
22. Dimitru Naghi (86) lebt in Cluj in Siebenbürgen. Wöchentlich besuchen ihn Spitex-Pflegende des Hauspflegedienstes der Reformierten Kirche Rumäniens.
23. Im Mai 2020 erreicht Covid-19 auch die Rohingya-Flüchtlingslager im Süden von Bangladesch. HEKS verteilt Hygienematerial, damit sich insbesondere ältere Menschen vor dem Virus schützen können.
24. Familie Pouye aus dem Dorf Soune im Westen Senegals, im November 2020
Im Jahr 2012 stand die Familie im Zentrum der HEKS-Sammlungskampagne «Entwicklung ermöglichen»: Im Jahr 2012 hatte Familie Pouye mit vielen Problemen zu kämpfen: ungesicherte Landtitel, magere Ernten und trockene Böden, gefolgt von Überschwemmungen in der Regenzeit, die das fruchtbare Land nach und nach wegspülten. Mit Unterstützung der HEKS-Partnerorganisation «Enda-Pronat» lernten die DorfbewohnerInnen, Steingürtel und Windschutzhecken anzulegen, um ihr Land vor der Erosion zu schützen. Auf Schulungsfeldern wurde ihnen Wissen über Früchte- und Gemüseanbau, Bewässerung und natürliche Schädlingsbekämpfung vermittelt. «Diese Familie hat eine Perspektive», versprach HEKS auf dem Kampagnenplakat 2012. Hat es dieses Wirkungsversprechen einhalten können? Rund acht Jahre später erzählt Mor Pouye: «Das Projekt hat mir sehr geholfen, vor allem weil ich Anbautechniken erlernt habe, die an die schwierigen Bedingungen hier angepasst sind. Die Mangobäume gedeihen, trotz des Wassermangels, und ich habe mein Einkommen verbessern können. Auch die gemeinsamen Erosionsschutzarbeiten rund um das Dorf haben sich bewährt. Ein grosses Problem ist, dass ich nach wie vor keine Titel habe für das Land, das ich bebaue.» HEKS und seine langjährige Partnerorganisation «Enda Pronat» unterstützt die Dorfbewohner von Soune weiterhin in diesem Prozess.