«Derzeit herrscht in Rumänien ein Mangel an Berufsberater:innen.»
HEKS führt in Sibiu, Rumänien, das Projekt «Von der Ausbildung zum Beruf» durch, welches Schüler:innen aus benachteiligten Gruppen, darunter auch der Roma-Gemeinschaft, unterstützt. Ziel des Projekts ist es, Schulabbrüche zu verhindern und den Übergang ins Gymnasium oder in die Berufsschule zu erleichtern. Das Interview mit der stellvertretenden Projektleiterin Sara Bivolaru und der Schülerin Elena Puiulet (15) führte die Zürcher Gymnasiastin Alice Bodenhausen (14) im Rahmen ihres Praktikums bei HEKS.
Sara Bivolaru, sie leiten das Bildungsprojekt von HEKS in Rumänien. Können sie uns dieses Angebot genauer erklären?
Das HEKS-Projekt «Von der Ausbildung zum Beruf» ist in drei rumänischen Landkreisen aktiv und fokussiert sich auf benachteiligte Jugendliche, insbesondere solche aus gefährdeten Familien, mit speziellen Bildungsbedürfnissen oder aus der Roma-Gemeinschaft. Wir setzen bei zwei wichtigen Übergängen an: dem Wechsel von der achten Klasse zur weiterführenden Schule oder Berufsschule sowie dem Übergang von der Berufsschule in den Arbeitsmarkt.
Unser Ziel ist es, die Jugendlichen zu motivieren, in der Schule zu bleiben und ihre Berufung durch gezielte Berufsberatung, Betriebsbesuche, Berufstests, Nachhilfe und Sommercamps zu finden. Zudem bieten wir Berufsschüler:innen Unterstützung bei der Arbeitsvermittlung an, indem wir sie bei der Erstellung von Lebensläufen und der Vorbereitung auf Vorstellungsgespräche begleiten.
Unser Projekt verfolgt auch systemische Veränderungen durch Advocacy, indem wir wichtige Akteure aus den Bereichen Bildung und Arbeitsmarkt zusammenbringen, wie Schulbehörden, Schulleiter:innen, Lehrer:innen, Berufsberater:innen, Arbeitsagenturen, Unternehmensvertreter:innen und das Bildungsministerium.
Warum braucht es dieses Projekt in Rumänien?
Dieses Projekt ist dringend notwendig, weil die von uns angebotenen Leistungen, wie die Berufsberatung, eigentlich staatlich bereitgestellt werden sollten. Doch derzeit gibt es in Rumänien einen akuten Mangel an Berufsberater:innen, weshalb viele Schüler:innen diese essenzielle Unterstützung nicht erhalten. Diese Beratung ist entscheidend, damit die Jugendlichen ihre Stärken erkennen und ihre Bildungswege sinnvoll planen können. Besonders beschäftigt sich das Projekt mit den hohen Abbruchquoten in den Roma-Gemeinschaften, insbesondere bei Mädchen in der sechsten und siebten Klasse, die oft früh verheiratet werden. Unsere Beratung zielt darauf ab, diese jungen Menschen in der Schule zu halten und ihnen bessere Zukunftsperspektiven zu bieten.
Was lernen die Beteiligten durch dieses Projekt?
Das Projekt lehrt uns, Verantwortung für gefährdete Personen zu übernehmen, Inklusion zu fördern und den Wert von Bildung und Berufsberatung zu erkennen. Es verdeutlicht die Notwendigkeit einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen dem Staat, Schulen, Berater:innen, Arbeitgeber:innen und Eltern. Wir arbeiten aktiv daran, die Finanzierung für unsere Bildungs- und Arbeitsmarktprojekte sicherzustellen, um langfristige Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Unser Ziel ist es, dass die Aktivitäten und positiven Effekte des Projekts auch nach dessen Abschluss unabhängig weitergeführt werden können.
Im Rahmen ihres Praktikums sprach die Zürcher Schülerin Alice Bodenhausen (14) auch mit Elena Puiulet (15) aus Ruja (hier rechts im Klassenraum), die das Naturwissenschaftliche Gymnasium in Agnita besucht.
Elena Puiulet: «Das Bildungsprojekt von HEKS hat uns sehr geholfen, besonders, weil es vielen schüchternen Mitschüler:innen ermöglicht hat, offener zu werden, sich auszudrücken und mehr Selbstvertrauen zu entwickeln. Mein Traum ist es, nach New York zu gehen. Aber ich möchte meine Ausbildung in Rumänien abschliessen und dann sehen, was passiert.»
Das Projekt unterstützt die Jugendlichen, wie hier im Bild Bajka Eniko, bei der Berufswahl und der Suche nach einer Berufslehre. Ebenso werden Lehrpersonen und Personaldienste der Arbeitgeber entsprechend geschult und sensibilisiert.
Elena Puiulet: «Meine Schulklasse hat zwei Unternehmen besucht. Das eine war eine Firma, die Maschinen zur Herstellung von Autoteilen betreibt. Das andere Unternehmen war eine Konditorei, wo man kochen und Backwaren zubereiten konnte. Wenn man die Berufsschule abschliesst und ein Praktikum in einem dieser Unternehmen macht, kann man anschliessend dort angestellt werden und viele Vorteile geniessen.»