Stellungnahme vom 12. September 2022
Armut ist kein Verbrechen
Aus Angst davor, ihr Aufenthaltsrecht in der Schweiz zu verlieren, verzichten immer mehr Menschen ohne Schweizer Pass in finanziellen Notlagen auf Sozialhilfe, obwohl sie einen berechtigten Anspruch auf Unterstützung hätten. Stattdessen leben die Betroffenen, darunter viele Familien, in Armut. Sie und ihre Kinder werden isoliert, statt integriert. Mit einem Ja zur parlamentarischen Initiative «Armut ist kein Verbrechen» kann das Parlament eine wichtige Verbesserung dieses Missstandes bewirken.
Wer in der Schweiz in eine finanzielle Notlage gerät, hat Anrecht auf Unterstützung für ein menschenwürdiges Dasein. Dies ist in der Bundesverfassung festgeschrieben und gilt für alle, unabhängig ihrer Herkunft. Dieses Anrecht auf Hilfe wird aber seit 2019 durch das Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG) stark eingeschränkt: Heute müssen armutsbetroffene Personen ohne Schweizer Pass um ihre Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung in der Schweiz fürchten, wenn sie Sozialhilfe beziehen – selbst wenn sie schon länger als zehn Jahre in der Schweiz leben, viele Jahre hier gearbeitet haben oder sogar hier geboren sind.

Jean-Patrick di Silvestro
Mit der Petition «Für eine gerechte Sozialhilfe» setzte HEKS bereits im Juni dieses Jahres ein starkes Zeichen gegen Armut und Ausgrenzung in der Schweiz. Über 8500 Unterzeichnende fordern, dass die Sozialhilfe in der Schweiz alle Menschen gleichermassen auffangen soll und dass Sozialhilfebezug nicht zum Entzug der Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung führen darf.