Kürzere Wartefrist beim Familiennachzug für vorläufig Aufgenommene
In der Schweiz mussten geflüchtete Menschen mit einer vorläufigen Aufnahme bisher drei Jahre warten, bevor sie ein Gesuch um Familiennachzug stellen konnten. Nun wird diese Wartefrist auf zwei Jahre verkürzt. Auslöser dafür war eine Beschwerde der Rechtsberatungsstelle für Asylsuchende von HEKS in Lausanne (SAJE). HEKS begrüsst diese Gesetzesänderung, ist aber der Ansicht, dass grundsätzlich auf eine Wartefrist beim Familiennachzug verzichtet werden sollte.
Wer vor Krieg und gewalttätigen Konflikten zum Beispiel aus Syrien oder Afghanistan in die Schweiz flüchtet, wird in der Regel «vorläufig aufgenommen». Rund 45’000 Menschen mit diesem Aufenthaltsstatus leben in der Schweiz. Ihre Rechtsstellung ist bedeutend schlechter als die von anerkannten Flüchtlingen, obwohl die grosse Mehrheit der vorläufig Aufgenommenen dauerhaft in der Schweiz bleibt. Für vorläufig Aufgenommene galt bisher eine Wartefrist von 3 Jahren nach Erteilung der vorläufigen Aufnahme, bis sie überhaupt ein Gesuch für den Nachzug ihrer Familie stellen konnten. Dieser Wartefrist voran geht zudem häufig eine lange Zeit der Trennung von der Familie während der Flucht und des Asylverfahrens. So verstreichen meist Jahre, bis geflüchtete Menschen wieder mit ihren minderjährigen Kindern oder ihrem Ehepartner / ihrer Ehepartnerin vereint werden können. Eine kostbare Zeit – speziell, wenn kleine Kinder involviert sind –, die verloren geht und nicht mehr zurückgewonnen werden kann.
HEKS kämpft für das Recht auf Familie – auf juristischem Weg
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das die vorliegende Gesetzesänderung ausgelöst hat, geht zurück auf eine Beschwerde der HEKS-Rechtsberatungsstelle SAJE in Lausanne:
Eine eritreische Mutter erreichte 2016 nach einer traumatisierenden Flucht zusammen mit ihrem damals fünfjährigen Sohn die Schweiz und ersuchte um Asyl. Sie erhielt eine vorläufige Aufnahme. Mit ihrem Ehemann und Vater ihres Sohnes, der ebenfalls aus Eritrea geflüchtet ist, stand sie stets in Kontakt, in der Hoffnung auf eine Wiedervereinigung. Trotz ihres schlechten Gesundheitszustands schaffte sie es, Französisch zu lernen und eine Arbeitsstelle zu finden. Da es auch ihrem Sohn gesundheitlich nicht gut ging, wünschte sie, endlich Unterstützung durch ihren Ehemann zu erhalten. Ihr Gesuch um dessen Nachzug wurde vom Staatssekretariat für Migration (SEM) jedoch abgelehnt – mit der Begründung, die dreijährige Wartefrist für vorläufig Aufgenommene sei noch nicht abgelaufen.
Dagegen wehrte sich die HEKS-Rechtsberatungsstelle (SAJE) in Lausanne, gestützt auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (M.A. gegen Dänemark), und erhielt Recht. Das Bundesverwaltungsgericht betonte in seinem Urteil, das Recht auf Familie müsse im Einzelfall abgewogen werden, und die Einschränkungen müssen verhältnismässig sein. Dabei seien die Interessen von Kindern besonders stark zu gewichten.
Der Fall zeigt auf, wie die HEKS-Rechtsberatungsstellen nicht nur für Einzelpersonen eine wichtige Unterstützung bieten, sondern durch strategische Gerichtsprozesse immer wieder auch Grundsatzurteile erzielen und dadurch zu rechtlichen Verbesserungen für geflüchtete Menschen in der Schweiz beitragen.
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