Stellungnahme vom 30. September 2024

Rückblick: Asyl- und Migrationsdebatten in der parlamentarischen Herbstsession

Asyl- und Migrationspolitik: Menschenrechte in Gefahr. Letzte Woche ging die Herbstsession des Bundesparlaments in Bern zu Ende. Für HEKS stand neben der Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit auch die Asyl- und Migrationspolitik im Fokus. Es herrscht ein rauer Wind: Der Flüchtlingsschutz wird in Frage gestellt. Beim Familiennachzug für vorläufig Aufgenommene wurde für HEKS ein Tabu gebrochen.  

Familiennachzug
Ester Unterfinger

Das Recht auf Familie  

Der Nationalrat will, dass geflüchtete Personen, die in der Schweiz «vorläufig aufgenommen» sind, ihre Ehepartner:innen und Kinder nicht mehr nachziehen dürfen. Der Familiennachzug für Menschen, die vor Krieg und Not– etwa aus Syrien oder Afghanistan – geflüchtet sind und erfahrungsgemäss langfristig in der Schweiz bleiben, soll abgeschafft werden. Für sie gelten bereits heute strenge Voraussetzungen: lange Wartefrist, finanzielle Unabhängigkeit und eine Familienwohnung. Dies ist auch der Grund, weshalb jährlich nur rund 100 Personen auf diesem Weg in die Schweiz einreisen. HEKS hat diese hohen Hürden aus menschen- und kinderrechtlicher Sicht wiederholt kritisiert und deren Streichung gefordert.  

Eine vollständige Abschaffung des Familiennachzugs, wie sie der Nationalrat nun beschliessen will, ist eine klare Verletzung des Rechts auf Familienleben und stellt für HEKS einen Tabubruch dar. Die öffentliche Empörung über diesen Entscheid war denn auch gross und spürbar: Ein Appell zugunsten von Flüchtlingsfamilien wurde innert kürzester Zeit von über 115'000 Personen unterzeichnet. Der Ständerat verzichtete darauf, in der laufenden Session eine Entscheidung zum Familiennachzug zu treffen. Er überwies die Motion an die zuständige Kommission, die sich in den kommenden Monaten vertieft damit beschäftigen wird. Für HEKS ist klar: Das Recht auf Familie ist ein Grundrecht und gilt damit für alle. Es darf nicht weiter eingeschränkt werden. 

Schutz von afghanischen Mädchen und Frauen

Zur Erleichterung von HEKS hat der Ständerat die Asylpraxis des Staatssekretariats für Migration (SEM) zum Schutz afghanischer Mädchen und Frauen klar bestätigt. Aufgrund der Eskalation der geschlechterspezifischen Diskriminierung und Gewalt in Afghanistan gewährt das SEM afghanischen Frauen und Mädchen seit Juli 2023 in der Regel Asyl in der Schweiz. HEKS begrüsst diese Praxis. Sie ist inhaltlich gut begründet und europaweit abgestützt (zur HEKS-Stellungnahme vom 13. Dezember 2023).  

Europäische Menschenrechtskonvention und UNO-Migrationspakt

Von beiden Räten deutlich verworfen wurden Bestrebungen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) zu kündigen. Der frontale Angriff auf die Grundrechte konnte damit vorerst abgewehrt werden. Die EMRK ist zentral für den Menschenrechtsschutz in der Schweiz und weltweit. Für die Menschenrechtsarbeit von HEKS ist die EMRK ein unverzichtbares Instrument. HEKS ist deshalb erfreut, dass die Debatte zur EMRK nun wieder sachlich geführt werden kann.

Mit Bedauern nimmt HEKS hingegen zur Kenntnis, dass die Schweiz den UNO-Migrationspakt voraussichtlich nicht unterzeichnen wird. Der Ständerat lehnte eine Unterstützung deutlich ab. Aus Sicht von HEKS bietet der UNO-Migrationspakt die Chance, die internationale Zusammenarbeit im Migrationsbereich zu stärken und Migration für alle Beteiligten sicherer und menschenrechtskonform zu gestalten. Die Unterstützung des UNO-Migrationspakts durch die Schweiz wäre ein wichtiges politisches Bekenntnis zu einer humanitären Schweiz, die ihre internationale Verantwortung wahrnimmt (mehr Informationen zum UNO-Migrationspakt). Der Nationalrat wird sich voraussichtlich im Winter mit dem Geschäft befassen. 

Samuel Berner
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