Stellungnahme vom 14. November 2024

Was bringt der EU-Migrations- und Asylpakt für Veränderungen in der Schweiz?

Der neue EU-Migrations- und Asylpakt tritt im Sommer 2026 in Kraft und bringt umfassende Reformen für die europäische Asylpolitik – und damit auch für die Schweiz als Teil des «Schengen/Dublin»-Raums. HEKS warnt bei der Umsetzung des Pakts in der Schweiz vor grossen Risiken für den Flüchtlingsschutz und fordert eine Umsetzung, die Solidarität und die Rechte von Geflüchteten ins Zentrum stellt.  

Vor vier Jahren legte die Europäische Kommission den Entwurf für einen neuen EU-Pakt zu Migration und Asyl vor. Trotz vehementer Kritik durch eine Vielzahl von Nichtregierungsorganisationen wurde der Pakt nach langen Verhandlungen im Mai 2024 verabschiedet. Die neuen Regelungen, eine Weiterentwicklung des «Gemeinsamen Europäischen Asylsystems», werden im Sommer 2026 in Kraft treten und die europäische Asyl- und Migrationspolitik grundlegend reformieren. 

Die Schweiz ist Teil des sogenannten «Schengen/Dublin-Raumes». Damit ist sie auch von dieser Reform betroffen und soll einzelne Aspekte ganz oder teilweise übernehmen. Die Umsetzung erfordert Anpassungen im Schweizer Recht, insbesondere im Ausländer- und Integrationsgesetz sowie im Asylgesetz. Der Vorschlag des Bundesrates sieht zudem vor, dass sich die Schweiz freiwillig und punktuell am neu geschaffenen EU-Solidaritätsmechanismus beteiligt, der nicht Teil des Schengen/Dublin-Besitzstands, aber ein Kernelement der europäischen Reform ist.

Aus Sicht von HEKS löst der EU-Pakt die bestehenden Herausforderungen im Umgang mit Migration und Asyl in Europa nicht. Im Gegenteil: Er beinhaltet massive Verschärfungen, die den notwendigen Schutz für Geflüchtete gefährden. Bei der Umsetzung in der Schweiz muss deshalb der verbleibende nationale Spielraum genutzt werden, um die Solidarität mit Geflüchteten und ihre Rechte ins Zentrum zu stellen. 

HEKS Nothilfe: Ukraine SCLR Initiative - Liceum Yanoshivta
HEKS/Christian Bobst

HEKS fordert Solidarität und unabhängigen Rechtsschutz  

Abschottung und Härte gegenüber Schutzsuchenden ziehen sich wie ein roter Faden durch den gesamten EU-Pakt und prägen insbesondere die Bestimmungen zu den Verfahren an den EU-Aussengrenzen. Auch die Schweiz steht in der Verantwortung, dass die Grundrechte von Migrant:innen in diesen Verfahren und allgemein an den EU-Aussengrenzen zu jeder Zeit gewahrt werden. Den konkretesten Beitrag kann sie leisten, indem sie schutzbedürftige Personen aufnimmt. Deshalb fordert HEKS eine verbindliche Teilnahme der Schweiz am EU-Solidaritätsmechanismus zur Umsiedlung (engl. «relocation») von Geflüchteten.

Daneben empfiehlt HEKS Nachbesserungen bei der rechtlichen Umsetzung in der Schweiz. Da die sogenannte «Dublin-Überstellungsfrist» – der Zeitraum, in dem eine schutzsuchende Person in ein anderes europäisches Land zurückgeführt werden kann – auf bis zu drei Jahre verlängert wird, braucht es klare und transparente Kriterien, die sicherstellen, dass solche Fristverlängerungen zurückhaltend und einheitlich angewendet werden. Weiter sollte die Schweiz verpflichtet sein, in gewissen Fällen die Asylgesuche von betroffenen Personen selbst zu prüfen. So zum Beispiel bei unbegleiteten Minderjährigen oder bei Schutzsuchenden, die nahestehende Verwandte in der Schweiz haben, die sie bei ihrer Integration unterstützen können.

Mit der Umsetzung des Pakts wird in der Schweiz auch ein neues Verfahren eingeführt, das sogenannte «Screening-Verfahren». Dieses soll der Erstüberprüfung von Ausländer:innen dienen und sie anschliessend dem geeigneten Folgeverfahren zuführen. Da diese Überprüfung somit Auswirkungen auf alle weiteren Schritte von Schutzsuchenden in der Schweiz haben kann, fordert HEKS zwingend den Einbezug eines unentgeltlichen, unabhängigen Rechtsschutzes ab Beginn des Screening-Verfahrens. Zudem darf dieses Verfahren keinesfalls dazu genutzt werden, den Schutzbedarf der Betroffenen «vorabzuklären», denn dieser ist erst in einem nachfolgenden, umfassenden Asylverfahren zu prüfen.

Unsere Forderungen im Detail finden Sie in der HEKS-Vernehmlassungsantwort.   

Samuel Berner
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