Freier Handel mit Saatgut fördert Biodiversität in Afrika
HEKS
Blogbeitrag von Kibrom Mehari Gebremichael vom 11.05.2023

Saatgutmesse stärkt Tradition des Tauschhandels

Saatgutmesse stärkt Tradition des Tauschhandels

Um die regionale und globale Biodiversität zu stärken, ist der Handel mit unterschiedlichem Saatgut von grosser Bedeutung. An Messen wird eine Vielzahl an Saatgutsorten ausgetauscht, Geld fliesst dabei keines. Doch das Wissen über und der Wert von Saatgut ist bedroht, Staaten und wirtschaftliche Akteure wollen es privatisieren.

Im vergangenen März besuchte ich die Regionalmesse für bäuerliches Saatgut in Benin. Inmitten von 300 Besucher:innen aus 24 hauptsächlich westafrikanischen Ländern entdeckte ich Stände mit einer Vielzahl von Saatgutsorten − eine reicher und seltener als die andere. Es war eine gute Gelegenheit, besser verstehen zu lernen, wie staatliche Politik bäuerliche Traditionen bedroht und welche Strategien entwickelt werden müssen, um den freien Saatguthandel zu verteidigen.

Kibrom Mehari Gebremichael
Kibrom Mehari Gebremichael

Kibrom Mehari Gebremichael arbeitet bei HEKS als Themenverantwortlicher für das Recht auf Nahrung.
 

In der DNA des Saatguts stecken die Geschichte und das Wissen der Vorfahren.

Haufenweise Samen von Getreide, Gemüse, Obst und Heilpflanzen aus all diesen Ländern sind an farbenfrohen Messeständen ausgestellt. Jedes Saatgut zeugt nicht nur von der reichen biologischen Vielfalt des afrikanischen Kontinents, sondern auch von tausend Jahre altem Wissen der Vorfahren diese Samen auszuwählen, sie zu vermehren, aufzubewahren und zu tauschen. Einige Messeteilnehmende berichten mir, wie diese Samen sie spirituell und materiell mit ihren Vorfahren verbinden. Leider besteht heute die Gefahr, dass dieses Erbe und viel Wissen darüber verlorengehen, weil Regierungen den Wert des Saatguts absprechen. Auf dieses Thema werde ich später noch genauer eingehen.

An einem Stand treffe ich Aussteller aus dem Tschad, die 2000 Kilometer durch die Wüste gereist sind. Andere brauchten 48 Stunden, um von Simbabwe nach Zhoungbounou, dem Veranstaltungsort der Messe, zu gelangen. Sie alle wollten diese Saatgutmesse keinesfalls verpassen!

Ich begegne auch Aissatou, einer jungen senegalesischen Bäuerin. Das Saatgut, das sie für die Ausstellung ausgewählt hat, macht mich neugierig: verschiedene Sorten Tomaten, Salat, Frischgemüse, Hirse, Reis, Sorgho, Stangenbohnen und sogar Samen von Jujube-Bäumen. Sie erklärt mir, dass sie sich aufgrund der Zielsetzung der Messe – das genetische Erbe zu teilen und zu bewahren – dafür entschieden habe, Saatgut auszustellen, das vom Aussterben bedroht sei. «Sollte ich das Saatgut verlieren, hat es wenigstens jemand anderes», meint sie. Ihre Befürchtung ist grösser als ihr individuelles Interesse; sie will etwas zur Stärkung der regionalen und globalen Biodiversität beitragen.

Auf der Messe wird viel diskutiert, die Atmosphäre ist entspannt und festlich. Man hört ganz unterschiedliche Sprachen. Es ruft Erinnerungen aus meiner Kindheit wach an den Markt im Freien in meinem Herkunftsland Eritrea. Jeden Freitag kamen damals Händler:innen und Leute verschiedener Ethnien von weit her und tauschten sich in vielen Sprachen aus.

Saatgutmarkt in Benin, Austeller im Kreis
HEKS

Seit Jahrtausenden wird Saatgut als Ressource genutzt, die der Allgemeinheit zur Verfügung stehen soll.

Der einzige Unterschied zum herkömmlichen Markt ist, dass an der Saatgutmesse nichts verkauft wird und kein Geld den Besitzer wechselt. Saatgut ist eine öffentliche Ressource und darf niemals privatisiert oder für persönliche Gewinne zu Geld gemacht werden. Seit Jahrtausenden hat die Menschheit auf der ganzen Welt diese Ressourcen genutzt und dazu beigetragen, ihr Sorge zu tragen, sie zu vermehren und zu bewahren, damit sie der Allgemeinheit zur Verfügung stehen.

Dies steht in deutlichem Kontrast zur Politik multinationaler Unternehmen und der Regierungen. Sie wollen diese öffentlichen Ressourcen durch geistige Eigentumsrechte, Privatisierungen und Gesetze für sich beanspruchen und zu Geld machen. Sie zielen darauf ab, den freien Austausch und bestimmte Praktiken zu verbieten.

An der Regionalmesse berichten dann auch Dutzende von Referent:innen und Besucher:innen, wie in ihren Ländern eine Agrarpolitik entstanden ist, die die Privatisierung des Saatguts und die Einführung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) fördert. In einigen dieser Länder wie Ghana, drohen den Bäuerinnen und Bauern für die Lagerung, den Verkauf und den Tausch von nicht zertifiziertem Saatgut zehn Jahre Gefängnis.

Die Schweiz gehört zu den Ländern, die sich für die weltweite Privatisierung von Saatgut einsetzt. Eine der Bedingungen des Freihandelsabkommen, die die Schweiz vor Kurzem mit Indonesien unterzeichnet hat, war der Beitritt Indonesiens zum «Internationalen Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen» (UPOV), der das geistige Eigentum an Saatgut regelt,. Dasselbe Szenario wiederholt sich nun bei den Freihandelsabkommen mit Malaysia und Thailand der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), zu der auch die Schweiz gehört. Deshalb verlangen HEKS und seine Partnerorganisationen von der Koalition «Recht auf Saatgut» von der Schweiz, dass sie bei der Aushandlung von Freihandelsabkommen mit Entwicklungsländern aufhört, die Privatisierung von Saatgut zu fördern. Eine Petition zu diesem Thema wird derzeit im Bundesparlament diskutiert.

Haiti Saatgut sortieren von Mais
Medienmitteilung vom 21. März 2023
Wichtiger Schritt für die Rechte der Bäuer:innen im Süden

Die Klausel zum Sortenschutz soll künftig aus von der Schweiz ausgehandelten Handelsabkommen gestrichen werden. Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates hat einer entsprechenden parlamentarischen Initiative zugestimmt. Die Koalition «Recht auf Saatgut» begrüsst diesen Schritt zu mehr Ernährungs­souveränität für Kleinbäuer:innen im Süden und zum Schutz der Biodiversität.

Wer dein Saatgut hat, hat deinen Bauch.

Zusätzlich zu den Gesundheits- und Umweltgefahren, die von GVO und Chemikalien ausgehen, zerstört diese Politik der Privatisierung von Saatgut die biologische Vielfalt. Sie verschlechtert die Ernährung, da sie die Spezialisierung auf bestimmte Kulturen und Monokulturen privilegiert. Dazu sagte mir ein Messeteilnehmer: «Wer dein Saatgut hat, hat deinen Bauch, und wenn er deinen Bauch hat, ist das der Tod.»

Seit meiner Rückkehr stehe ich mit Personen in Kontakt, die ich auf der Messe kennengelernt habe. Einige Teilnehmende, darunter jene aus Simbabwe und die junge senegalesische Bäuerin Aissatou, haben es bereits geschafft, aus dem Saatgut, das sie dort gefunden hatten, Pflanzen zu ziehen. Gibt es etwas Besseres, um für Biodiversität zu sorgen, als der freie Austausch und die freie Lagerung von Saatgut?

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