Starke Frauen in vergessenen Krisen

Viele humanitäre Krisen spielen sich unbeachtet von der Öffentlichkeit ab. Leidtragende in solchen Situationen sind in erster Linie Frauen und Kinder. Ohne Zugang zu medizinischer Hilfe, in Ungewissheit darüber, wo ihre Männer und nächsten Angehörigen sind und wie es ihnen geht – unter solch enorm belastenden Umständen müssen Frauen in Krisengebieten tagtäglich überleben. Lesen Sie hier unsere Kurzporträts von starken Frauen aus den HEKS-Projekten in Honduras, Kolumbien, der Demokratischen Republik Kongo, Libanon und Uganda.

Anna aus Kolumbien

Als ob eine Flucht im Leben nicht genug wäre, musste die zweifache Mutter im Jahr 2017 innerhalb Kolumbiens schon zum zweiten Mal fliehen: Beim ersten Mal wurde sie von Paramilitärs bedroht. Anna erstattete Anzeige. Doch die Polizei bot ihr keinerlei Schutz. Beim zweiten mal musste sie vor der Guerillia fliehen. Mit ihren beiden Kindern wurde sie einfach ihrem Schicksal überlassen. Die kolumbianische Frauenorganisation «Organicazión Femenina Popular» (OFP) setzt sich für Frauen wie Anna ein. «OFP» ist in der Region Magdalena Medio im Norden Kolumbiens eine der wichtigsten sozialen Kräfte und leistet einen bedeutenden Beitrag in der regionalen und nationalen Friedensbewegung. Die Organisation verfügt über ein Netz von Frauenhäusern, Gesundheits- und Verpflegungsstationen und hilft den Frauen, ihre traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten, Einkommensmöglichkeiten zu finden und ihre prekären Wohnverhältnisse zu verbessern. Anna hat in einem von HEKS und «OFP» renovierten Haus Schutz und ein würdiges Dach über dem Kopf finden können. «Man verliert alles. Sein ganzes Hab und Gut. Aber das, was zählt, ist das Leben der Kinder», so Anna. Auch konnte OFP ihr dabei helfen, eine neue Einkommensmöglichkeit aufzubauen: Um den Lebensunterhalt ihrer Familie zu bestreiten, bereitet die ehemalige Staatsangestellte heute zusammen mit ihrer Tochter Maisfladen und andere kolumbianische Spezialitäten auf Bestellung zu. Bei einer Bekannten kann Anna dafür die grosse Küche nutzen. Als Mitglied des OFP-Netzwerkes der Produzentinnen und Konsumentinnen kann Anna ihre Speisen meist an andere Frauen im OFP-Netzwerk verkaufen und hat so ein gesichertes Einkommen.

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HEKS hilft Frauen in Kolumbien
Christian Bobst

Heri Julienne aus der Demokratischen Republik Kongo

Heri Julienne ist Mutter von drei Kindern und lebt in Kalehe in der kongolesischen Provinz Süd-Kivu. Dort wird hauptsächlich Landwirtschaft betrieben. Doch viele moderne Betriebe wurden verlassen oder liegen brach: wegen Plünderungen, der unsicheren politischen Lage und des Preiszerfalls landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Schlechte Strassen, der Mangel an Dünger und fehlende landwirtschaftliche Infrastrukturen sind weitere Gründe für den Verfall der Betriebe. Heri Julienne besuchte wie andere Kleinbäuerinnen des HEKS-Programmes landwirtschaftliche Trainingskurse. Sie lernte zum Beispiel das Land zu bestellen, Kohl auszusäen und richtig zu kultivieren. Sie ist Mitglied im Dorfverband «AVEC», der lokale Spar- und Kreditgruppe und Mitglied einer von HEKS aufgebauten lokalen landwirtschaftlichen Genossenschaft. HEKS unterstützt in der Region 2000 Kleinbauernfamilien, die in Landwirtschaftskooperativen zusammengeschlossen sind. «Dank der Ausbildungskurse züchte ich nun meinen eigenen Kohl. Mit dem Geld, das ich dadurch verdient habe, und mit Hilfe des Dorfverbandes konnte ich einen kleinen Laden eröffnen. Das Einkommen aus der Ernte erlaubt mir, meine Kinder zu ernähren, ihnen Kleider zu kaufen und das Schulgeld zu bezahlen.»

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HEKS hilft Frauen im Kongo
Thomas Freteur

Julienne aus der Demokratischen Republik Kongo

Vor ein paar Jahren flüchtete Julienne mit ihrer Familie vor bewaffneten Konflikten im Osten der Demokratischen Republik Kongo nach Kiwanja in Nord-Kivu. Hier bewirtschafteten sie eine Viertelhektare Land. Einen Teil ihrer Ernte konnten sie verkaufen und mit dem Erlös die Schul- und Gesundheitskosten ihrer Kinder bezahlen. Dann kamen Rebellen ins Dorf und töteten Juliennes Mann. Sie zerstörten alles, was auf ihrem Feld wuchs, und verboten ihr, dieses weiter zu bestellen. In Nord-Kivu ist ein Stück Land für die meisten Menschen die einzige Lebensgrundlage, die sie haben. Drei Jahre lang kämpfte Julienne um ihr Land – ohne Erfolg. Dann wandte sie sich an die von HEKS unterstützte Organisation «Aide et Action pour la paix», die auf die Lösung von Landkonflikten spezialisiert ist. Diese konnte ihr einen fünfjährigen Pachtvertrag für ein neues Stück Land beschaffen. Heute gehen die Kinder wieder zur Schule und Julienne kann wieder anpflanzen. «Unser Land ist das Einzige, worauf wir bauen können». Die Kriminalitätsrate ist hoch und Gewalt gegen Frauen weit verbreitet. HEKS leistet einen Beitrag zur Prävention und Lösung von Konflikten: Die lokalen Partnerorganisationen begleiten junge ehemalige Milizionäre oder Soldaten auf dem Weg zurück ins Berufsleben, leisten psychosoziale Betreuung und medizinische Versorgung für weibliche Gewaltopfer und unterstützen Bauernfamilien bei der Sicherung ihres Rechts auf eigenes Land sowie bei der Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion.

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María Elena aus Honduras

María Elena Ordoñez und ihre Familie wohnen im Süden von Honduras. Dort kämpft die arme Landbevölkerung um ihre natürlichen Ressourcen wie Land und Wasser. Der fortschreitende Klimawandel hat Dürren, Wasserknappheit und Schädlinge zur Folge, welche die Ernten der Kleinbauernfamilien stark schmälern und so deren Nahrungssicherheit gefährden. Die HEKS-Partnerorganisation PRR arbeitet mit einer Forschungsmethode, in der Bauerngruppen auf dem Feld mit Saatgut experimentieren und Techniken lernen, um Saatgut zu identifizieren und zu konservieren. Die Bauerngruppe in Suyapa, zu der auch María und ihre Familie gehören, war eine der ersten Bauerngruppen im Süden Honduras’, die sich an diesem Saatgutprojekt beteiligten. Koordiniert und organisiert wird die Gruppe von den Frauen. «Von PRR haben wir gelernt, Saatgut zu testen und biologische Pflanzenschutzmittel gegen Schädlinge herzustellen», sagt María. Sie führt mit den anderen Frauen auch die Kasse der Bauerngruppe, so können sie bei Bedarf innerhalb der Gruppe auch kleine Darlehen vergeben. Die Bauerngruppe Suyapa konnte bereits erfolgreich ihren Ernteertrag steigern.

Reportage zum Saatgutprojekt

Honduras: HEKS hilft Frauen in Krisenregionen
Sabine Buri

Mirwat aus Syrien

Mirwat al Saadi stammt aus dem palästinensischen Flüchtlingslager Jarmuk am Rande der syrischen Hauptstadt Damaskus. Während des Kriegs in Syrien musste sie wieder fliehen. Die junge Frau floh mit ihren Kindern in den Libanon. Ihre Flucht endete im palästinensischen Flüchtlingslager Shatila am Stadtrand von Beirut. Ihr Mann ist seither verschollen – sie weiss nicht, ob er noch am Leben ist. In Shatila fand Mirwat in einer fensterlosen Abstellkammer Unterschlupf. Da sie das Überleben ihrer Familie sichern muss und dabei ganz auf sich allein gestellt ist, arbeitet Mirwat sechs Tage pro Woche in einem Supermarkt. «Ich bin froh, dass ich eine Arbeit gefunden habe», meint sie. «Aber dadurch kann ich tagsüber nicht bei meinen Kindern sein.» Dann muss ihre grösste Tochter Hala auf die Kleinen aufpassen. Vor allem die desolate Wohnsituation setzte der jungen Frau zu. Die HEKS-Partnerorganisation Najdeh hat die prekäre Lage der Familie erkannt: Mit der Hilfe eines Architekten und von Flüchtlingen aus dem Lager haben sie die ungemütliche Wohnung der Familie in ein freundlicheres Zuhause verwandelt. Der Schimmelpilz und die heraushängenden Stromkabel sind verschwunden. Ein WC, eine Dusche und ein Boiler erleichtern Mirwats Alltag. Und dank einem Türschloss muss sie sich nicht mehr vor Einbrechern fürchten. «Ich will meinen Kindern einmal sagen können, dass sich das ganze Leid gelohnt hat. Wir möchten in ein sicheres Land reisen, wo ich mir nicht den ganzen Tag Sorgen um sie machen muss. Das ist mein einziger Wunsch», sagt Mirwat.

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Nidia Gissela aus Honduras

Nidia Gissela Castillo Funez ist Menschenrechtsverteidigerin in Honduras. Sie ist Juristin und Mitbegründerin der HEKS-Partnerorganisation «MASSVIDA» in Honduras. «MASSVIDA» ist eine Basisorganisation im Süden von Honduras, die die ländliche Bevölkerung begleitet, aufklärt, informiert und juristisch unterstützt. Die Strategie des Staates, MenschenrechtsverteidigerInnen in Honduras zu kriminalisieren, sie anzuzeigen, Strafverfahren gegen sie einzuleiten und sie so einzuschüchtern, breitet sich immer mehr aus. Sie sind Übergriffen und Drohungen ausgesetzt und sie werden als Verbrecher hingestellt. Der Staat versagt darin, den Bedrohten Schutz zu bieten und die Morde aufzuklären. «Es gibt in Honduras Menschen, die geschlagen, verhaftet und kriminalisiert werden. Davon betroffen sind vor allem MenschenrechtverteidigerInnen, aber auch UmweltaktivistInnen. Sie alle gelten als Staatsfeinde und sind somit in den Augen des Regimes Terroristen», sagt Nidja. «Wir machen diese Arbeit aus Überzeugung, wir fühlen eine Art Verpflichtung. Aber die Sicherheit ist das grosse Thema, welches uns am meisten Sorgen bereitet». HEKS leistet – im Verbund und in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnerorganisationen – einen substanziellen Beitrag, damit die betroffene Bevölkerung im Süden von Honduras besser auf legalem Weg grundlegende Menschenrechte, Land- oder Umweltrechte einfordern kann. Basisorganisationen, ländliche Gemeinschaften und VerteidigerInnen von Menschenrechten sollen besser geschützt werden.

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Nidia Gissela Castillo Funez - HEKS in Honduras Menschenrechtsverteidigung
HEKS

Sakina aus Niger

Sakina Ousmane ist eine 48-jährige Bäuerin. Sie lebt im Dorf Dan Gobiraoa in Niger. Die Menschen im westafrikanischen Sahelland sind immer wieder mit Dürreperioden und Hungerkrisen konfrontiert. Die Menschen leiden unter Nahrungsmittelmangel, chronischer Unterernährung und Epidemien. Kleinbauernfamilien müssen gegen die klimatischen Veränderungen ankämpfen und ihr Saatgut anpassen, damit sie genug ernten können. Wie andere Kleinbäuerinnen und Kleinbauern konnte auch Sakina an Schulungen der HEKS-Partnerorganisation «SahelBio» teilnehmen. Diese unterstützt in der Region Maradi 1500 Bäuerinnen und Bauern bei der Intensivierung der Landwirtschaft auf agroökologischer Basis. Die Bauern und Bäuerinnen verwenden ein auf die natürlichen Gegebenheiten abgestimmtes Hirse und Bohnen-Saatgut, das höhere Erträge abwirft. Das Anlegen von Demonstrationsparzellen in den Dörfern ermöglicht es, den Erfolg der neuen Sorten und alternativer Anbautechniken zu testen und unter den anderen ProduzentInnen zu verbreiten. Das verbesserte lokale Hirse- und Bohnen-Saatgut wurde von rund 2000 Familien aus 100 Dörfern ausgesät und das Ergebnis der Ernte war aussergewöhnlich gut: Die Produktion konnte gegenüber dem Vergleichsjahr teilweise um das Dreifache. Auch Sakina hatte eine erfolgreiche Ernte: «Meine Produktion hat sich im Vergleich zu dem, was ich früher auf derselben Fläche geerntet habe, verdreifacht.»

Mehr zum Projekt

HEKS hilft Frauen in Niger gegen die Dürre und den Hunger
SahelBio

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