« Hoffnung auf eine bessere und gerechte Zukunft säen »

Er hat wohl einen der schwierigsten Jobs bei HEKS angesichts des seit Jahrzehnten andauernden Konflikts zwischen Israelis und Israelinnen und Palästinenser:innen. Doch Hakam Awad, seit drei Jahren HEKS-Landesdirektor in Israel/Palästina, glaubt fest daran, dass grosse Veränderungen im Kleinen beginnen. 

Interview: Dieter Wüthrich
 
Die Situation in Israel/Palästina ist seit Jahrzehnten von schwierigen, und wie es scheint unlösbaren Konflikten geprägt. Woraus schöpfst Du deine Motivation, trotzdem jeden Tag zu versuchen, zur Lösung dieser Konflikte beizutragen?

Ich bin überzeugt vom Leitmotiv von HEKS, dass grosse Veränderungen im Kleinen beginnen. Mit der Unterstützung, die wir den Gemeinschaften, mit denen wir zusammenarbeiten, zukommen lassen, können wir ihr Leid lindern und ihre Resilienz und ihre Lebensgrundlagen trotz dem langjährigen Konflikt und dem festgefahrenen Friedensprozess erhalten.

Worin siehst du die besonderen Herausforderungen Für dich als Landesdirektor und dein Team in diesem konfliktreichen Umfeld?

Unsere Arbeit in Israel/Palästina ist mit vielen Herausforderungen verbunden, da das Umfeld sehr fragil und nicht stabil ist. In den letzten Jahren gab es beispielsweise mehrere Angriffe auf den Gazastreifen und diverse Wahlen in Israel. Der unbeständige Kontext erschwert die Planung und Umsetzung nachhaltiger Projekte und erhöht die Risiken unserer Arbeit. 

HEKS-Landesdirektor Hakam Awad
Christian Bobst

Für wie realistisch hältst Du die Erwartung, dass die Arbeit von HEKS tatsächlich zur Lösung der seit Jahrzehnten anhaltenden Konflikte zwischen Israel und den Palästinensern beitragen kann?

Wie bereits gesagt zielt unser Programm darauf ab, in den Gemeinschaften, mit denen wir arbeiten, kleine Veränderungen zu bewirken. Ich glaube nicht, dass das HEKS-Programm in Israel/Palästina allein den Konflikt lösen wird, der seit Jahrzehnten andauert und an dem viele Akteur:innen auf der ganzen Welt beteiligt sind. Wir sollten jedoch die Palästinenser:innen unterstützen, die seit Jahrzehnten unter dieser Situation leiden, und sie befähigen, Israel für seine Verstösse gegen das internationale Völkerrecht zur Verantwortung zu ziehen.

In welchen Konfliktregionen ist HEKS aktuell tätig? 

Die Arbeit von HEKS in Israel/Palästina konzentriert sich derzeit auf drei Hauptgebiete: Gaza, das Westjordanland mit Ostjerusalem und das Kernland Israel.

Wie wird HEKS als kirchliches Hilfswerk von den lokalen Programmteilnehmenden, die ja oft muslimischen Glaubens sind, wahrgenommen? Spürst du manchmal Vorbehalte oder gar Ablehnung?

In der palästinensischen Gemeinschaft ist die Zusammenarbeit mit einer kirchlichen Organisation normal, da kirchliche Organisationen seit vielen Jahren im Land präsent sind. Ausserdem versteht und respektiert die palästinensische Gemeinschaft die christliche Minderheit, die in der Regel die christlichen Feiertage wie Weihnachten in den wichtigsten Städten Palästinas, insbesondere in Jerusalem, Nazareth und Bethlehem, feiert.

Wenn du eine Bilanz deiner bisherigen Arbeit als Landesdirektor ziehst, wie beurteilst du die Entwicklung des Landesprogramms in dieser Zeit? Wo konnten Fortschritte erzielt oder gar Lösungen gefunden werden und wo gab es allenfalls Rückschläge?

In den vergangenen drei Jahren konnten wir unser Netzwerk von Partnerorganisationen und Projekten in allen unseren Interventionsbereichen pflegen. Wir haben die Plattform «Open Forum» entwickelt, wo sich Organisationen aus Palästina und Israel dreimal im Jahr treffen, um über die Veränderungen im Kontext und die Angriffe auf zivilgesellschaftliche Organisationen in Israel und Palästina zu diskutieren. Wir haben auch frühzeitig auf die Eskalation in Gaza im Mai 2021 mit einem humanitären Projekt in Gaza reagiert. Infolge damals notwendiger Einsparungen bei HEKS mussten wir 2019 unsere Programme im Norden Israels einstellen. Ich hoffe aber, dass wir diese wieder reaktivieren können, sobald wir die notwendigen Mittel erhalten.

Was ist deine persönliche Vision für die Zukunft von Israel/Palästina? 

Die praktische Umsetzung einer Zweistaatenlösung in Israel/Palästina wird immer unwahrscheinlicher, Israel gewinnt immer mehr Macht und annektiert de facto immer mehr Gebiete im Westjordanland und in Ostjerusalem. Während der letzten acht Jahre gab es keine offiziellen Bemühungen um eine Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen zwischen Israel und Palästina. Die Verhandlungen sind in eine Sackgasse geraten. Ein weiteres brennendes Thema, das bei den Verhandlungen vernachlässigt wurde, ist die Rückkehr der palästinensischen Geflüchteten. Diese Frage hat grosse Auswirkungen auf die Art und Weise, wie eine zukünftige Ein- oder Zweistaatenlösung aussehen würde.

Zum Schluss die Frage: Was wünschst du dir für HEKS und sein Landesprogramm in Israel/Palästina für die Zukunft? 
Ich wünsche mir, dass das Programm für Israel/Palästina über die Jahre weiter ausgebaut werden kann und so immer mehr Leben von Jugendlichen, Geflüchteten, Bauern, Aktivist:innen und anderen Gemeinschaften positiv zu beeinflussen vermag. Auf diese Weise können wir weiterhin Hoffnung auf eine bessere und gerechte Zukunft in diesem Land säen.

Mit Kreativität und Handwerk zu neuen Perspektiven (HEKS Nr. 605.342)
Zusätzliche Informationen
Wie HEKS in Israel/Palästina wirkt

 HEKS stärkt mit Hilfe von lokalen Partnerorganisationen die Akteure der Zivilgesellschaft, die sich mit gewaltfreien Mitteln für die Überwindung der bestehenden Konflikte und der Ungleichheit einsetzen. In einer Region, in der das Leben von langjährigen Konflikten geprägt ist, will HEKS einen Frieden fördern, der auf Gerechtigkeit und der Einhaltung der Menschenrechte basiert